Das Wort Team wird in zwei unterschiedlichen Kontexten gebraucht. Einerseits meint man damit wirklich eine Gruppe von Menschen, die sich zusammenfindet, um eine bestimmte Aufgabe oder ein Problem zu lösen. Andererseits wird damit oft eine Art idealer Zustand der Zusammenarbeit beschrieben. Eine Fußballmannschaft („Elf Freunde müsst ihr sein“) aus 11 hervorragenden Einzelkönnern wird nicht gewinnen, sie müssen ein Team ein. Und so hört man auch in Unternehmen immer wieder mal gerne vom oberen Management den Appell, dass man von jetzt an als Team agieren müsse.
Ich will mich hier vorwiegend mit dem ersten Punkt beschäftigen, aber doch einige Anmerkungen zur zweiten Interpretation von Team machen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass die Mitarbeiter an der Basis in aller Regel durchaus kooperativ sind und sich helfen wollen. Natürlich gibt es immer Quertreiber, unfreundliche Kollegen und Einzelkämpfer, aber es war fast immer grundsätzliche Hilfsbereitschaft vorhanden. Wann immer es zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen knirschte, war die eigentliche Ursache immer weiter oben in der Hierarchie zu suchen. Manager hatten unterschiedliche Ziele, Prioritäten, Incentives, persönliche Aversionen und konnten oder wollten nicht miteinander. Ich bin überzeugt, dass man sich viele Change-Management Programme, in denen wir aus den Mitarbeitern ein Team machen, ersparen könnte, wenn wir stattdessen eine ehrliche Ursachenanalyse betrieben und die wenigen Störfaktoren im Management ändern würden.
Nun aber zurück zum ersten Thema: Die Arbeit von Menschen in der Gruppe. Schon zu Zeiten, als wir noch überwiegend Deutsch gesprochen haben, hieß es: „Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründe ich einen Arbeitskreis!“ Es herrscht ein ungebrochener Glaube, dass das Team manchmal so etwas wie eine Allzweckwaffe zur Lösung von Problemen zu sein scheint. Wenn wir feststecken, unbedingt eine neue Idee brauchen, wie wir aus der Sackgasse herauskommen, wie wir Innovation machen, dann machen wir einen Teamworkshop. Ob mit Brainstorming und Metaplan-Karten oder mit Design-Thinking und Lego-Basteleien in möglichst kreativ-alternativen Raumszenarien.
Fragt man Oberstufenschüler oder junge Studenten nach ihren Erfahrungen mit Teamprojekten, dann berichten gerade die Guten öfter von ihren Erfahrungen, andere mit durchschleppen zu müssen. Am Ende war es für sie einfacher, die Arbeit alleine zu schreiben und den anderen Namen mit drauf zu schreiben. Team ist eben ganz oft eine Abkürzung für „Toll ein anderer macht’s“. Aber immer mehr Universitäten, besonders die sogenannten Business Schools, investieren immer mehr Aufwand in die Entwicklung der sogenannten Teamfähigkeit ihrer Studenten. Von der Harvard Business School habe ich mal die scherzhafte Charakterisierung gehört, dass die Studenten dort sogar im Team aufs Klo gehen.
Die Soziologen stießen in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts auf Spuren einer Arbeit eines französischen Ingenieurs namens Ringelmann, der schon im 19. Jahrhundert Experimente mit Pferden, Ochsen und Menschen im Ziehen von Lasten gemacht hatte. Es zeigte sich, dass mit wachsender Gruppengröße die Leistung der Gruppe immer mehr von der Summe der Maximalleistungen der Einzelnen abwich. Dieser Ringelmann-Effekt muss noch kein Hinweis darauf sein, dass sich Teammitglieder verstecken und in der Gruppe nicht so anstrengen, sondern es kann auch einfach nur ein Hinweis auf steigende Koordinationsaufwände sein. Es ist nämlich in größeren Gruppen gar nicht so einfach, dass alle wirklich zur gleichen Zeit und in die gleiche Richtung ihre Kraft einsetzen.
Dennoch hat diese Arbeit von Ringelmann in der Soziologie umfangreiche Untersuchungen zu dem Thema Teameffizienz, insbesondere zum Sozialen Faulenzen, stimuliert. Auch das gegenläufige Phänomen der Sozialen Erleichterung – wann produziert die reine Anwesenheit von anderen Menschen bessere Leistungen – wurde beschrieben und experimentell untersucht. Wie üblich bei vielen sozialen Themen sind die Übergänge fließend und die Grauzonen groß. Der Koordinationsaufwand in einem Team kann groß sein, weil die Leute einfach nicht richtig zusammenarbeiten wollen. Es kann aber auch sein, dass das Thema so komplex ist und so viele Facetten hat, die dem Team erst im Laufe des Projekts bewusstwerden, und es deshalb einfach dauert, die richtige Struktur zu finden. Und wenn ein Mitarbeiter nicht produktiv ist, dann kann es daran liegen, dass er sich unsichtbar macht und vor der Arbeit drückt. Es kann aber auch sein, dass der Mitarbeiter unverschuldet nicht die benötigten Informationen hat. Aber keinesfalls darf man die Schwächen des Team-Konzepts übersehen und glauben, dass nun alles gut wird, da wir ja ein Team haben.
Es lohnt sich für einen Manager, sich mit diesen Theorien wirklich auseinanderzusetzen. Es nutzt wenig, nur diffuse Vorurteile gegen Teamarbeit zu haben und nicht zu wissen, wo man genauer hinschauen muss. Ich will und kann Ihnen hier kein Lehrbuch schreiben, wie man optimal Teams zusammensetzt. Dies würde den Rahmen dieser kleinen Abhandlung sprengen, die Ihnen ja nur Anregungen zum Nachdenken geben will, und würde eher eine vielbändige Enzyklopädie erfordern. Sie kommen aber um die Nutzung von Teams für die Bewältigung Ihrer Aufgaben nicht herum. Manche Aufgaben sind zu groß für einen Einzelnen, manche Themen erfordern Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens usw. Ich will Ihnen hier aber wenigstens Hinweise auf einige Fallen beim Aufsetzen und Steuern von Teams geben.
So sollte man manchmal vielleicht doch darüber nachdenken, ob denn der Teamworkshop überhaupt das erfolgversprechende Hilfsmittel ist. Das gemeinsame Brainstorming in größeren Gruppen ist oft gar nicht so effizient. Man hat in Experimenten festgestellt, dass es besser ist, wenn sich die Leute erst einmal alleine hinsetzen und nachdenken – und erst dann in der Gruppe diskutieren. Bei vielen für den Projekterfolg durchaus wichtigen Mitarbeitern, insbesondere den Introvertierten, versagen viele der gerne genutzten Team-Building Konzepte und wirken eher kontraproduktiv. Aber dazu im nächsten Abschnitt mehr.
In aller Regel werden Teams in Unternehmen zwar von einem Mitarbeiter aus einem federführenden Bereich geleitet, aber es besteht aus Mitarbeitern mehrerer Bereiche. Das Ziel der Teamarbeit betrifft meistens auch mehrere Bereiche. Es ist zwar irgendwie im Unternehmen abgestimmt, aber oft gibt es mindestens gegen Teilaspekte politische Widerstände einzelner Teilnehmer. So stimmt zwar das gesamte Management eines globalen Unternehmens zu, dass man weltweit konsistente, vereinheitlichte Daten und IT-Systeme braucht, damit wir das Unternehmen und seine Risiken transparent und reaktionsschnell steuern können. Aber glauben Sie mir: Kein Chef einer Auslandstochter mag es, wenn ihm die Zentrale zu einfach in seine Zahlen schauen kann. Dabei ist das generelle Ziel solcher Projekte als Ergebnis von Beraterstudien oft nur durch einen Satz PowerPoint Folien beschrieben, also ausreichend vage, so dass jeder im Verlaufe des Projektes unterschiedliche Vorstellungen einbringen kann. Es empfiehlt sich gerade bei solchen bereichsübergreifenden Projekten, sich zu Beginn einer Teamarbeit die größte Mühe zu geben, das Ziel der Arbeit möglichst unzweideutig zu beschreiben. Das Verschieben von Konflikten in das eigentliche Projekt ist oft Ursache von Verzögerungen und Kostensteigerungen bis zum völligen Scheitern von Projekten.
„Trau keinem unter 50“ ist eine Regel, die sich immer wieder bezahlt gemacht hat. Dabei meint unter 50 ein Teammitglied, dass mit weniger als 50% seiner Kapazität für das Team zur Verfügung steht. Für ein solches Teammitglied wird in kritischen Zeiten immer die andere Aufgabe wichtiger sein als die Unterstützung des Teamzieles.
Viele Bereiche, die zur Unterstützung eines Teamzieles verpflichtet wurden, sehen natürlich immer noch die Kernaufgabe ihres Bereichs als Top-Priorität an. Deshalb haben sie eine große Neigung, nicht ihre besten Mitarbeiter zu schicken, sondern eher die, die sie lieber nicht zum Kunden schicken mögen. Es ist für einen Projektleiter unangenehm, dem Projekt zugeteilte Kollegen wegen mangelnder Kompetenz abzulehnen, aber wer hier zu nachgiebig ist, wird definitiv scheitern. Denn die mangelnde Kompetenz führt ja nicht nur dazu, dass einzelne Arbeitspakete langsamer erledigt werden, sondern es nimmt dem Team auch die Entscheidungsfähigkeit, weil der Mitarbeiter bei jeder Projektentscheidung erst in seinem Bereich Rückfrage halten muss.
Besonders schlimm ist es, wenn sich Teams in einer bestimmten Sachfrage zerstritten haben und einfach keine gemeinsame Entscheidung mehr treffen können. Ein Studienfreund, den ich als selbständigen IT-Berater in München nach vielen Jahren wieder traf, war von seinem damaligen Kunden in ein Projekt geschickt worden, in dem nichts mehr voranging. Er sah rasch, dass man sich in einer Sachfrage nicht einigen konnte. Die einen wollten nach links, die anderen nach rechts und die Lösungen waren zwar verschieden, aber anscheinend auch nach langer Diskussion praktisch gleichwertig. Man war in einer Pattsituation gefangen und kam nicht mehr heraus. Mein Freund holte deshalb eine Münze heraus, fragte die Wortführer nach Kopf oder Zahl und warf die Münze. Die Leute waren zwar erst irritiert, aber dann wurde die Entscheidung von beiden Seiten akzeptiert, alle waren froh über die Entscheidung und vor allem darüber, dass sie gesichtswahrend durch den Zufall getroffen wurde. So hatte keiner „verloren“ und man arbeitete wieder konstruktiv zusammen. Ich habe daraus die Lektion gelernt, mir bei der Kommunikation von Entscheidungen immer Gedanken zu machen, wie ich es vermeiden kann, die unterlegene Seite zu verletzen. Das zahlt sich aus.
Diese Liste ließe sich sicher noch fortsetzen. Ich will hier aber nicht zu defätistisch werden. Teams sind ein notwendiges Werkzeug, aber keineswegs ein Selbstgänger. Ein gesundes Misstrauen gegenüber den Motiven der Bereiche, die theoretisch die Teamaufgabe unterstützen sollten, ist immer anzuraten. Denn der vielzitierte Teamgeist nimmt in allen Hierarchien ab, je weiter sie nach oben kommen. Dagegen nehmen Ego, Egoismus und Ehrgeiz nach oben zu. Deshalb können Sie sicher sein, dass sich einige der Bereichsleiter schon von der TEAM-Methode zur 10A-Methode weiterentwickelt haben: Alle anstehende Arbeit auf andere abschieben; anschließend anscheißen; aber anständig!
Zum Schluss erlauben Sie mir ausnahmsweise mal eine politische Anmerkung. Ich bin immer wieder mal auf Mitarbeiter gestoßen, die das soziale Faulenzen zur Perfektion getrieben haben. Sie hatten einen Arzt für alle Krankschreibungen, sie wussten genau, wie man Aktivität vortäuschte, ohne etwas zu tun, wie man die Kollegen dazu brachte, die eigene Arbeit mit zu erledigen usw. Sie waren in ihren Teams verhasst, aber das ließ sie kalt. Und das zieht langfristig das ganze Team nach unten. In solchen Situationen war ich dann doch mit der Handhabung des Kündigungsschutzgesetzen, besonders in Großunternehmen, ein wenig unzufrieden!
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Rainer Janßen | 19.01.2023