In vielen Bereichen hat sich – oft unbemerkt und unreflektiert – ein neuer Trend der IT-Unterstützung von Prozessen durchgesetzt: menschliche Interventionen werden nicht mehr direkt an technische oder soziale Systeme übertragen, sondern über die Zwischenstufe eines digitalen Modells. Prominentestes Beispiel ist wohl das Fliegen. Ein Pilot bewegt, wenn er eine Linkskurve fliegen will, keine Klappen mehr in unterschiedlicher Intensität – weder über Seilzüge noch über Elektromotoren – sondern er gibt einer Software den Befehl „Linkskurve mit Radius 2 km fliegen“. Die Übersetzung und Umsetzung in mechanische Aktivitäten werden vollständig von der Software übernommen. Umgekehrt verfügt die Software immer über ein aktuelles Modell des Geschehens im und außerhalb des Flugzeuges und analysiert dieses. Wir sprechen hier seit langem vom Fly by Wire. Ähnliches hat sich partiell auch im Auto entwickelt (Drive by Wire). In diesem Artikel nennen wir dieses Prinzip allgemein Manage by Wire.
Manage by Wire ist eine Möglichkeit, den Einsatz menschlicher Intelligenz auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen sie wirklich nötig sind. Damit werden die Menschen von all den Aktivitäten entlastet, die klaren Regeln folgen und damit automatisierbar sind. Davon sind viele Unternehmen noch weit entfernt, viele Entscheidungen werden pro Einzelfall getroffen, obwohl sie fast vollständig regelbasiert ablaufen könnten. Beispiele dafür sind etwa Lead Qualifizierung im Vertrieb, das Risikomanagement oder auch Kulanzprozesse in der Automobilindustrie.
Die Konsequenzen daraus sind durchweg negativ. Einzelfallentscheidungen binden erhebliche Management-Kapazität, Sachentscheidungen werden durch persönliche Zielsetzungen („Politik“) beeinflusst (und dadurch nicht besser), für wirklich wichtige „Grenzfälle“ bleibt zu wenig Zeit. Und sich ergebende Chancen werden unzureichend genutzt.
Möglich wird Manage by Wire durch die mit jeder Technologiegeneration gewachsene, verfügbare Informationsmenge. Mit zunehmender Digitalisierung durch neue Generationen von IT-Technologien verbreitern sich die Einsatzmöglichkeiten.
Die Vorteile von „Manage by Wire“ liegen auf der Hand:
Boeing zeigt jedoch auch, welche Risiken mit dem Ansatz verbunden sind, wenn man nicht verantwortlich damit umgeht. Bis heute sind Systeme nur in dem Rahmen plausibel, für den sie gemacht wurden, mit neuen Situationen können sie nicht umgehen. Deshalb ist die Möglichkeit menschlichen Durchgriffs auf lange Zeit noch essentiell.
Diese vierteilige Blogserie zeigt Ihnen anhand von Beispielen, in welchen Bereichen Manage by Wire heute schon ganz oder teilweise angewendet wird. Sie nennt auch Bereiche, in denen es kaum Fuß gefasst hat. Anhand der daraus abgeleiteten Kriterien können Sie nachvollziehen, unter welchen Voraussetzungen Manage by Wire ein nützliches Instrument sein kann, um dem IT-Einsatz auch in Ihrem Hause eine Vision und Richtung zu geben und die Effektivität Ihres IT-Einsatzes nachhaltig zu steigern.
In Kürze erscheint Teil 2: „Manage by Wire in Flugzeug und Auto“.
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„Manage by Wire“ – Ziel zukunftsweisender Unternehmensarchitekturen? | 21.11.2019