Zeitenwende – Werteorientierung im Management?
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Zeitenwende – Werteorientierung im Management?

Die russische Regierung überzieht die Ukraine mit einem schrecklichen Krieg. Die demokratische Welt ist schockiert und appelliert an Menschenrechte und alle jene Werte, die uns seit Jahrzehnten leiten oder hätten leiten sollen. Der Bundeskanzler spricht von „Zeitenwende“.

Geschäfte mit autokratisch oder diktatorisch regierten Staaten werden hinterfragt. Jahrzehntelang verschwanden diese Werte hinter dem schnöden Mammon einer globalisierten Welt. Und jetzt ist plötzlich alles anders?
Nun ja, nicht so ganz. Eigentlich gelten diese Werte vielleicht doch nur dann, wenn unsere Wirtschaft dadurch nichts zu verlieren hat. Die Diskussion über russisches Gas und Öl demonstriert dies anschaulich.

Also steht auf der Prioritätenskala unseres wirtschaftlichen Handelns weiterhin der wirtschaftliche Erfolg an erster Stelle und erst dann kommen andere, humanistische Werte? Spätestens seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme im Osten Europas in den 1990er Jahren und der damit verbundenen Hinwendung zur Finanzwirtschaft sind nichtmonetäre Werte nur noch schwer zu erkennen.

Unternehmens- und Steuerbilanzen basierten bis in die 1990er Jahre auf dem Niederstwertprinzip in einer realwert-orientierten Wirtschaft. Sie gaben Unternehmern die Chance, Strategien über längere Zeiträume zum Erfolg zu führen. Stille Reserven schufen das Polster, um auch schwierige Zeiten besser zu überstehen.
Mit der Hochzinsphase der 1990er Jahre dominiert zunehmend die Kapitalgeberseite das wirtschaftliche Handeln. Die Polster stiller Reserven sind nicht mehr gefragt. Quartalsbilanzen und amerikanische Bilanzierungsgrundsätze dienen stattdessen der Hebung dieser Reserven ganz im Interesse der großen Kapitalsammelbecken.

Der Niedriglohnsektor wuchs in den letzten Jahrzehnten beträchtlich. Der Widerstand gegen ausreichende Mindestlöhne seitens der Arbeitgeberseite zeigt, welche Werte auch heute noch dominieren.

Nicht bezahlbarer Wohnraum ist ein großes politisches Thema. Wo sind die Werkswohnungen, wo ist der soziale Wohnungsbau, mit denen geholfen wurde die wirkliche Wohnraumnot der Nachkriegsjahre zu beseitigen?

Zeitgleich zum größer werdenden Niedriglohnsektor wuchsen die Vergütungen der Manager. Jahresgehälter im ein- und zweistelligen Millionenbereich sind heute nicht die Regel, aber auch nicht die Ausnahme.
Durch die Medien rauschen Tabellen mit den reichsten Internet-Milliardären der Welt. Elon Musk kauft Twitter für 44 Milliarden Dollar, obwohl Twitter kaum Gewinn erwirtschaftet. Und wie man zum Shootingstar im DAX wird, auch wenn die Gewinne nicht wirklich sprudeln, hat uns ja Wirecard gezeigt.

Welche Werte haben eigentlich die Banker und deren Berater getrieben, als sie sich den Cum-Ex-Geschäften zugewandt haben? Man muss nicht lange darüber nachdenken, dass die Idee, nie gezahlte Steuern sich rückerstatten zu lassen, unmoralisch und purer Diebstahl an der Gemeinschaft ist.

Amazon und andere weltumspannende Großkonzerne investieren viel Kraft in die Vermeidung von Steuerzahlungen. Steuern dienen dem Staat u.a. zu Investitionen in das Gemeinwesen und zur Finanzierung von Sozialsystemen. Und wenn schon kein Geld für Sozialsysteme, dann tut man bei den neuen Herrschern der Wirtschaftswelt auch alles, um Betriebsräte zu verhindern. Die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ist ein wertvolles Gut in einer sozialen Marktwirtschaft, das hilft den sozialen Frieden im Unternehmen sicher zu stellen.

Als das mit dem Anstand im Management offensichtlich irgendwann teilweise nicht mehr so war, wie es sein sollte, ließ man sich ein Regelwerk namens Compliance Management Systeme einfallen. Aber kann ein Regelwerk, dass durch ein ausgefeiltes Berichtswesen besticht, Anstand und Werte ersetzen? Oder ist Anstand am Ende nicht das Ergebnis eines Wertesystems?
Macht es Sinn, wenn Manager mehr Zeit in solche und andere Berichtswesen investieren müssen, anstatt sich ihren eigentlichen Aufgaben zu widmen?

Diese Aufzählung ließe sich sicherlich noch lange fortsetzen. Aber vielleicht ist es heute an der Zeit zu einem grundsätzlichen Umdenken, zu einer Rückbesinnung auf die humanistischen Werte weg vom schnöden Mammon, hin zu dem, was wirklich zählt.

Ich bin mir sicher, dass es viele Manager gibt, die in diesem Sinne schon immer und immer noch verantwortlich und werteorientiert handeln. Wäre es nicht schön, wenn es noch mehr werden würden?

Das wäre dann wirklich eine Zeitenwende.

Fragen, Feedback und Kommentare zu diesem Beitrag senden Sie bitte an c.gutt@acent.de

Claus-Peter Gutt | 29.03.2023

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