Zu den Topics des etablierten Managements gehört seit Jahren das Hofieren der Start-ups. Irgendwie hat sich das Biotop der häufig ebenso gut ausgebildeten wie praktisch unerfahrenen Gründer als Bezugspunkt für Veränderung und Zukunftssicherung etabliert.
Die faszinierenden Erfolgsgeschichten solcher Gründungen beeindrucken zweifelsfrei. Das gilt für die schon etwas älteren Versionen, wie Microsoft, die mit IBM der damals mächtigsten Tech-Company erfolgreich die Stirn geboten hat, über Google, das neben den Werbeagenturen auch der gesamten Nachrichtenbranche und den Enzyklopädien das Fürchten gelehrt hat, bis zu Ebay oder Amazon, die zusammen mit ihren Nachahmern den stationären Handel völlig aufgemischt haben, wo in der Vergangenheit noch viele der größten Privatvermögen gescheffelt wurden. Auch heute noch beeindruckt die Zahl der sog. Einhörner mit ihrem fast blitzschnell erreichten Börsenwert von über 1 Mrd. Euro oder US-Dollar.
Das ist die eine Seite und sie richtet viele Kooperationen mit Start-ups danach aus, wie der Leverage, die Hebelwirkung, die Skalierung möglichst schnell eine kostengünstige Verbreiterung des Kundenkreises und darüber einen möglichst hoch vergüteten Exit ermöglichen können. Häufig geht es um B2C, also um Angebote für Verbraucher, am besten noch für jüngere Konsumenten, die für Neuerungen in der Regel aufgeschlossener und leichter zu begeistern sind. Soweit, so gut – vielleicht …
Aber die überwiegende Anzahl der Start-ups, für die sich Möglichkeiten der Kooperation mit etablierten Firmen der Branche oder mit spezialisierten Beratungsunternehmen ergeben, sind aus einem anderen Holz und haben auch andere Perspektiven. Es sind häufig – wir blicken hier auf Start-ups, die für IT-Anwender in durchschnittlichen Industrieunternehmen oder öffentliche Verwaltungen interessant sein können – gute Ideen für sehr eingegrenzte Problemstellungen, die ihren Weg in die Wirklichkeit suchen.
In diesen Fällen geht es weniger um schnelle Marktdurchdringung und astronomische Exit-Beträge. Es geht, wie fast überall, natürlich ums Geld und um Investoren. Aber es geht außerdem um „Wer“ und „Wofür“, also darum, wie ein Zugang zu den richtigen Ansprechpartnern in der Welt der etablierten Organisationen gefunden werden kann. Wie laufen Entscheidungsprozesse zwischen Einkauf, Fachabteilung, Vorgesetzten und Budgetverantwortlichen? Was kann dazu führen, an der richtigen Stelle auf die passenden Entscheidungsträger zu stoßen? Die zweite Frage nach dem „Wofür“ zielt auf den betrieblichen Nutzen, auf die Einbindung in bestehende Abläufe, auf die interne Sichtweise potentieller Kunden.
Im Grunde sind es in dieser Perspektive Aspekte, die in hoher Ähnlichkeit das Berufsleben erfahrener Manager geprägt haben und die jetzt nach außen weitergegeben werden können: wer verfügt über finanzielle Mittel, wie bekommt man etwas vom Budget, wann wird von wem eine Entscheidung tatsächlich beeinflusst und: welche Nutzenkriterien werden anerkannt, wo ergeben sich Kombinationen mit laufenden Vorhaben, die bereits akzeptiert sind, was gilt in der internen Hierarchie als attraktiv?
Natürlich wird es hier und dort auch um rechtzeitige Desillusionierung gehen, wenn sich Ideen gar nicht bewerben lassen. Aber das sollte möglichst gezielt der Praxis überlassen werden. Kooperationen mit Start-ups können dazu beitragen, dass ein Scheitern nicht durch fehlende Kontakte in bestehende Organisationen und auf Unkenntnis der typischen Entscheidungsprozesse bewirkt wird. Falls die Idee nicht fliegt, na gut. Aber ob sie fliegt, sollte mit den richtigen Leuten zum günstigsten Zeitpunkt und an den passenden Stellen befunden werden. Und genau dabei könnte Start-ups geholfen werden.
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Andreas Resch | 09.08.2019